Arm trotz Arbeit

«Jeden Monat um den 18., geht uns das Geld aus.» Im Surprise Magazin erzählt Martin über das Leben als Working Poor in der Schweiz. Sein Schreinerunternehmen konnte er nach der Corona-Pandemie nicht mehr auf einen rentablen Zweig zurückführen und ist jetzt angestellt, seine Frau Barbara putzt in verschiedenen Haushalten. Die vierköpfige Familie lebt von knapp 40 Franken pro Tag alle Fixkosten abzogen. Sie schlagen sich mehr als recht durch und versuchen alles, damit ihre beiden Söhne nicht mitbekommen, dass sie arm sind.

Auch Ändu ist armutsbetroffen. Wegen einer Verkettung von Schicksalsschlägen hat er eine gut bezahlte Führungsposition in einem Transportunternehmen und das familiäre Umfeld verloren und sich in den Alkoholkonsum geflüchtet. Er hat sich zurück ins Leben gekämpft, verkauft im Bahnhof Bern die Surprise Magazine und gibt als Stadtführer vielen Menschen Einblick in offene und versteckte Armut in unserer Gesellschaft. Auf verschiedenen Medienkanälen erzählt er seine Geschichte und gibt Armutsbetroffenen ein Gesicht.

Und das sind in einem reichen Land wie der Schweiz viel zu viele. Rund 700’000 Menschen leben in Armut, weitere 300’000 Menschen arbeiten und kommen nur knapp über die Runden, sie sind so genannte «Working Poor». Eine Trennung, eine Krebserkrankung oder ein anderer Schicksalsschlag können viele treffen und bei einigen bedeutet das Armut.

Was tun? Armutsbetroffene Familien sollen Ergänzungsleistungen erhalten, weil Armut vererbt wird. Zudem sind anständige Löhne von Privatpersonen oder Unternehmen eigentlich ein Muss, denn niemand soll für 20.-/Stunde putzen, wie Barbara. Weiter könnte durch eine obligatorische Krankentaggeldversicherung vermieden werden, dass Krankheit zu Erwerbsausfall und Armut führt. Und schliesslich müssen die Prämienverbilligungen so angepasst werden, dass die Krankenkassenprämien auch für den unteren Mittelstand bezahlbar sind.

Das Schicksal von Martin, Barbara und Ändu* geht und alle an, weil wir «arm trotz Arbeit» in der Schweiz nicht tolerieren dürfen.

*Ändu besucht mich ab und zu im Bundeshaus. Auf dem Foto war er kurz vor Weihnachten am 19. Dezember zu Besuch.

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