Pflegenotstand – die Politik muss handeln!

Gestern Montag und heute Dienstag 17.12. diskutiert der Nationalrat über die Volksinitiative “Für eine starke Pflege” sowie den indirekten Gegenvorschlag. Hier mein Votum dazu, warum es dringend Massnahmen braucht in der Ausbildung, zur Verbesserung der Arbeitssituation sowie der Stärkung des Pflegefachberufes.

Sonja ist zu 100% angestellt ist, arbeitet in allen Schichten an 365 Tagen im Jahr. Die Tagesschicht beginnt um 7 Uhr. Sie möchte nach der Mutterschaft wieder arbeiten. Arbeitet sie weiterhin voll, wird sie ihre Tochter kaum sehen, weil die Arbeitszeiten unregelmässig und schlecht familienkompatibel sind. Wenn sie Glück hat, reduzieren kann und die Arbeitstage fixer einteilen darf, muss sie auf einen wichtigen Teil ihres Einkommens verzichten.

Therese ist 50 Jahre alt. Hat viel Erfahrung und Leidenschaft für ihren Pflegeberuf. Letzte Woche war sie in der Nachtschicht für 12 Patientinnen zuständig. Die Dienstärztin befand sich während vier Stunden im Operationssaal. Er wäre zwar erreichbar gewesen, aber Therese war trotzdem für vieles auf sich gestellt und musste laufend Entscheidungen für die 12 Patienten selber treffen. Die hohe Betreuungszahl und die Abwesenheit der Dienstärztin sind immer weniger die Ausnahme. Therese ist müde.

Theo ist im Stress wegen der Grippewelle. Nicht weil ihn die Grippe erwischt hat, sondern weil immer häufiger ein Teamkollege oder eine Kollegin krankheitsbedingt ausfallen. Die Patientinnen müssen aber trotzdem behandelt werden. Theo springt ein, wo er kann und übernimmt Zusatzschichten.

Diese drei Beispiele zeigen exemplarisch die Situation vieler Menschen in Pflegefachberufen. Sie können ihren Beruf und die Arbeitsbedingungen nur schlecht mit der Familie oder anderen Betreuungsaufgaben vereinbaren. Sie können wegen akutem Pflegenotstand ihren Beruf nicht so ausüben, wie sie es gelernt haben, wie es die Standards verlangen. Sie fallen aus, weil sie keine Kraft mehr haben und ihre Gesundheit auf dem Spiel steht.
Frust und Überarbeitung sind die Folge. Die Qualität in der Pflege für die Patientinnen und Patienten sinkt. Diese Situation wurde erstmals mit Zahlen belegt.

Das Schweizerisches Gesundheitsobservatorium hat Zahlen publiziert, wonach fast die Hälfte aller Pflegefachpersonen ihren Beruf verlässt. Das heisst, sie geben ihre Erwerbstätigkeit auf, wechseln den Beruf oder die Branche. Diese Zahlen sind nicht nur besorgniserregend – sie zwingen uns zum Handeln.

Es fehlen nicht nur Pflegende in den Langzeitinstitutionen, sondern es fehlen Pflegende auf den Intensivstationen, der Neonatologie, den Bettenstationen, in den Psychiatrien, in den ambulanten Diensten, in der Palliative Care, kurz überall. Das führt soweit, dass teilweise aus diesen Gründen Betten geschlossen werden müssen, obwohl diese dringend benötigt würden.

Die Stärkung der Aus- und Weiterbildung ist wichtig, aber es reicht nicht, wenn dann die Hälfte dieser ausgebildeten Personen wieder wegfällt.

Was müssen weitere Antworten der Politik sein?

Anständige Löhne: das können wir verbessern, indem wir fordern, dass sich die entsprechenden Leistungserbringer einem repräsentativen Gesamtarbeitsvertrag für das Pflegepersonal anschliessen
Die Arbeitssituation können wir verbessern mit der Einführung einer Mindestzahl an Pflegefachpersonen pro Patient. Schon heute werden Patientinnen im Spital nach Taxpunkten zwischen 1 und 4 eingeteilt. In Pflegeheimen oder für die Pflege zu Hause gelten die 12 Pflegestufen. Es ist also nur eine Frage des Willens gemäss der Intensität der Pflege dieses Betreuungsverhältnis zu definieren. «Geht nicht!» ist eine faule Ausrede.

Eine weitere Massnahme zur Aufwertung des Pflegefachberufes ist die eigenständige Abrechnung von gewissen Pflegeleistungen. Das würde die bereits selbstverantwortliche Ausübung des Berufes stärken und die Effizienz steigern, weil nicht für jeden Wundverband oder Dusche, die zuständige Hausärztin im Büro einen Kugelschreiber in die Hand nehmen müsste für die in den meisten Fällen nachträgliche Genehmigung einer Leistung, die sie nicht beurteilen kann. Kostet sofort Geld ohne Mehrwert für niemanden. Die Kostenkontrolle durch die Krankenkassen bleibt weiterhin bestehen.

Wir haben akuten Handlungsbedarf. Nicht nur für die Pflegefachpersonen, sondern auch für die Qualität in der Pflege für die ganze Bevölkerung.

Die Volksinitiative für eine starke Pflege sowie der indirekte Gegenvorschlag mit den wichtigen genannten Massnahmen müssen unsere Antworten auf diese Herausforderung sein.

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