Organe retten leben, aber in der Schweiz fehlen lebensrettende Organe. Aktuell warten 1434 Menschen auf der Warteliste für ein passendes Organ. Darunter 16 Kinder unter 16 Jahre. Alle fünf Tage stirbt in der Schweiz ein Mensch, weil nicht rechtzeitig ein Organ gefunden wurde. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren sogar verschlechtert. Die Zahl der Organspender:innen lag 2020 in der Schweiz mit 146 Spenden rund 7% tiefer als im Jahr zuvor und die Spendequote ist einer der tiefsten in ganz Westeuropa.
Weil zu wenig Menschen in der Schweiz zu Lebzeiten ihren Willen festhalten, müssen die Angehörigen der verstorbenen Person entscheiden. Es gilt die Zustimmungsregel. Im Schock- und Trauerzustand entscheiden sich die Angehörigen in 60% der Fälle gegen eine Organentnahme. Verschiedene Befragungen zeigen jedoch, dass rund 80% der Bevölkerung positiv zur Organspende steht. Dieses Missverhältnis zwischen der Ablehnungsrate durch die Angehörigen und die hohe Zustimmung in der Bevölkerung, lässt den Schluss zu, dass im Zweifel Organentnahmen abgelehnt werden, obwohl die verstorbene Person einverstanden gewesen wäre.
Weil in der Schweiz lebensrettende Organe fehlen, der 2013 lancierte Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» zu wenig Wirkung erzielte und weil sich positive Erfahrungen aus vielen EU-Ländern mit anderen Systemen verdichten, hat sich der Bundesrat und das Parlament nach intensiven Diskussionen für einen Systemwechsel ausgesprochen. Die so genannte Widerspruchlösung, wie sie die meisten westeuropäischen Länder kennen, kann man strikt anwenden, indem alle bei fehlendem Widerspruch zu Lebzeiten automatisch zu Organspendenden werden. Dieser Automatismus ging Bundesrat und Parlament zu weit, weshalb sich eine grosse Mehrheit aus allen Parteien ausser der SVP für eine erweiterte Umsetzung der Widerspruchregelung ausgesprochen hat. Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies neu festhalten oder seinen Angehörigen mitteilen. Liegt kein dokumentierter Wille der verstorbenen Person vor, können die nächsten Angehörigen widersprechen. Können keine Angehörige erreicht werden, ist ein Organentnahme unzulässig.
Das Parlament hat mit dieser Revision des Transplantationsgesetzes eine pragmatische Lösung gewählt, welche mehr Klarheit bei der Organspende schafft, die Angehörigen entlastet und Menschenleben retten kann. Das ist eine gute Nachricht, für jede Person, die auf ein lebensrettendes Organ wartet.
Flavia Wasserfallen, Nationalrätin SP