«Gemeindeversammlung – ein alter Zopf?»: So lautete der Titel meiner ersten Arbeit als Studentin an der Universität Bern vor über 20 Jahren und ich bin froh, dass sie über Google unauffindbar ist. Rückblickend hege ich Zweifel an der Qualität der «Studie», aber ich kann mich gut daran erinnern, dass ich mich mit Begeisterung in die kontroverse Fragestellung und die entsprechende Fachliteratur gestürzt habe. Damals war für mich klar: Entscheide an der Gemeindeversammlung sind willkürlich, denn wer besser mobilisiert, gewinnt. Und wie können Entscheide demokratisch abgestützt sein, wenn nur 1% der Stimmberechtigten überhaupt teilnehmen? Heute sehe ich das nicht mehr so eng, obwohl für mich die Vorteile eines Milizparlaments für eine Gemeinde der Grösse Wohlens nach wie vor überwiegen.
Ob mit oder ohne Parlament – das politische Milizsystem in Wohlen und überhaupt im ganzen Land erfordert viel (unbezahlte) Arbeit, Leidenschaft und Zeit. Nicht alle können diesen Einsatz erbringen und ehrenamtliche Tätigkeiten sind nicht selbstverständlich, auch wenn sie zum Fundament unserer Demokratie gehören. Wer in der Gemeindepolitik, in Vereinen tätig ist oder unbezahlte Care-Arbeit leistet, verdient Wertschätzung, aber auch bessere Anerkennung dieser Leistung beispielsweise durch die Arbeitgebenden. Auch ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für dieses Engagement so zu setzen, damit das Jonglieren zwischen Milizarbeit, Erwerbsarbeit und Familie besser gelingen kann. Ich erlebe immer wieder, dass ehrenamtlicher Einsatz dann mit Freude geleistet wird, wenn er eine Wirkung entfaltet, das Resultat sichtbar ist und geschätzt wird. Ich werde die Abstimmung vom 12. März über die Initiative «Gemeindeparlament» mit Interesse verfolgen. Unabhängig vom Resultat bleibt klar: Das Zusammenleben in der Gemeinde Wohlen wird auch in Zukunft von der Milizarbeit vieler Menschen geprägt werden.