Mein ABC zum ersten August

Vorbemerkung: Ich durfte am 1. August an der Bundesfeier in Mauss (Gemeinde Mühleberg) sowie an der Bundesfeier in Kirchberg eine Augustrede halten. Die folgende Rede habe ich in Mauss gehalten (Mundart), das Foto wurde in Kirchberg aufgenommen.

Liebe Festgemeinde

Wir feiern heute, natürlich in erster Linie den Nationalfeiertag. Den 1. August. Und ich finde, wir haben noch mehr Grund zum Feiern. Gewichtige Jubiläen, Visionen, die real wurden. Aber alles der Reihe nach:

A wie AHV, B wie Bundesverfassung, C wie Chindheit. Das wird mein ABC für die heutige Ansprache. Und dieses drehe ich jetzt mal kurzerhand um und beginne hinten.

Chindheit? Wie habe ich mich über die Anfrage gefreut aus ihrer Gemeinde gefreut. Denn dank dem Stauwehr in Mühleberg wird nicht nur erneuerbarer Strom gewonnen, ich habe dank dem Wehr meine Chindheit am wunderschönen Wohlensee verbringen können, ich bin in Hinterkappelen aufgewachsen. Viele schöne Erinnerungen habe ich von Erlebnissen im und auf dem See und nach der Realisierung des Stegmattstegs Mitte der 90er sogar noch über dem See. Ein wichtiges Erlebnis aus meiner Chindheit möchte ich ihnen erzählen, weil es auch einen Bezug zu heute Abend hat zu ihrer Bundesfeier.

In der 5. Klasse fanden wir Mädchen es ungerecht, dass wir nicht mit den Jungs im SC Wohlensee “schutten” durften. Also gründeten wir kurzerhand das erste Mädchenteam des Clubs, waren alle hoch motiviert, auch wenn nicht alle mit den gleichen Talenten gesegnet waren. Unser Trainer damals war kein unbekannter. Lehrer, Sportjournalist und bekannter Formel1-Kommentator. Letztjähriger Festredner hier in ihrer Gemeinde und heute Abend auch da: Hans Markus Tschirren. Ich möchte dir Markus heute, 30 Jahre später, danken für dein Engagement.

Und so komme ich zum ersten grossen Jubiläum. Wir feiern dieses Jahr eine unglaubliche Geschichte, die sich vor genau 175 Jahren ereignet hat. Ich komme zu B wie Bundesverfassung. 2023 feiert die moderne Schweiz ihren 175. Geburtstag. Aus der alten Eidgenossenschaft wird am 12. September 1848 ein moderner Bundesstaat. Die erste Demokratie in Europa. Das Unglaubliche und für mich doch eben sehr Schweizerische an dieser Geschichte ist, dass es gelungen ist, aus riesigen Unterschieden, die sich sogar in einem erbitterten Bürgerkrieg bekämpft haben, etwas Gemeinsames zu erschaffen, ohne die Unterschiede auszutilgen. Wie ist das gelungen?

Es ist gelungen, weil visionäre und starke Figuren einend gewirkt haben. Weil diese Verfassungsväter der Überzeugung waren, dass wir unser Schicksal selber in die Hand nehmen können. Weil viele bereit waren Zölle, eigene Währungen, Macht, politische Kompetenzen aufzugeben und einem grösseren Gebilde – dem Bundesstaat abzugeben. Weil eine Mehrheit der Stimmenden erkannt hat, dass mit einem Zusammenschluss am Ende alle gewinnen. Dieses Husarenstück, dieses Wunder von 1848, feiern wir dieses Jahr. Wir feiern die Bundesverfassung, die Grundlage dieses Zusammenschlusses. Auch wenn diese noch schwarze Flecken hatte – die Frauen beispielsweise waren noch ausgeschlossen – enthält sie wichtige Grundsätze.

Mit meiner Lieblingspassage aus der Bundesverfassung möchte ich zu meinem letzten Thema übergehen: «…die Stärke des Volkes, misst sich am Wohl der Schwächsten.»

Keine andere soziale Errungenschaft gibt diesen Grundsatz besser wieder als A wie AHV. Und diese unsere AHV feiert heuer ihr 75stes Jubiläum.

Nach dem 2. Weltkrieg 1945 haben ein FDP-Bundesrat und ein SP-Nationalrat die AHV aufgegleist. Im Herbst 1947 endete dann die Abstimmung mit einem riesigen Ja-Anteil und ein paar Monate später zahlte der Pösteler dem Grossvater meines Vaters, die erste AHV-Rente aus. Tausende Menschen wurden aus der Altersarmut befreit. Und noch heute sichert sie vielen Menschen ein Alter in Würde. Die AHV funktioniert solidarisch zwischen hohen Einkommen und bescheidenen Einkommen. Sie funktioniert solidarisch zwischen der arbeitenden Bevölkerung und den Pensionierten. Wer viel verdient, zahlt mehr in die AHV-Kasse als Leute mit tieferen Einkommen. Rente erhalten alle die Gleiche. Die AHV schafft Ausgleich, sozialen Frieden und Stabilität für die ganze Gesellschaft. Und so sind wir wieder bei der Bundesverfassung: Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwächsten.

Trotzdem haben wir ein Problem mit der Höhe der Renten. Die AHV sollte Existenz sichern, so steht es in der Bundesverfassung. Aber 1800 CHF, das ist die mittlere AHV-Rente, das reicht nicht. Deshalb müssen immer mehr Menschen Ergänzungsleistungen beziehen im Alter, um ihre Existenz sichern zu können. Schon wenige Zeit nach der Pensionierung sind das 11%. Tendenz steigend. Die AHV-Rente ist zu tief und muss gestärkt werden, dafür setze ich mich aus Überzeugung ein. Für Renten, von denen alle würdig leben können.

Pioniergeist, Visionen und Tatendrang haben 1991 zur Gründung des ersten Mädchenfussballteams beim SC Wohlensee geführt, haben die Gründung des modernen Bundesstaates von 1848 ermöglicht und haben vor 75 Jahren zur Einführung der AHV geführt.

Und heute? Wo brauchen wir Pioniergeist, Visionen und Tatendrang?

Eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit ist der Ausstieg aus dem Erdöl, dem Erdgas und der Kohle. Das sind wir den nachkommenden Generationen schuldig. Wir müssen unsere Energieversorgung unabhängiger vom Ausland machen und einheimische erneuerbare Energie fördern. Die Stimmbevölkerung hat mit dem Ja zum Klimagesetz Ja zu mehr Klimaschutz gesagt und diesen Weg müssen wir jetzt gemeinsam gehen. Das heisst auch, aufeinander zugehen. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass es bei jeder Erhöhung einer Staumauer ein «Gchär» und Blockaden gibt. Auch beim Denkmalschutz und Landschaftsschutz braucht es Kompromissbereitschaft, damit wir die Energie der Sonne, des Windes und des Wassers optimal nutzen können.

Auf der anderen Seite müssen auch Kräfte einen Schritt machen, welche kritisch sind gegenüber Grossinvestitionen vom Staat. Wir können die Energiewende nicht jedem Einzelnen oder nur der Wirtschaft überlassen. Ich bin sicher, wir haben eine gemeinsame Überzeugung, dass wir unserer Landschaft Sorge tragen müssen. Dass wir die Hebel, wie wir Energie erzeugen und konsumieren jetzt umstellen müssen.

Mit Pioniergeist, Visionen und Tatendrang gelingt uns das.

Ich danke ihnen fürs Zuhören. Ich danke dem Gemeindepräsidenten René Maire und dem Gesamtgemeinderat herzlich für die Einladung. Ich danke der Musikgesellschaft Mühleberg-Laupen und dem Verein “Druf mit Grien” für die Organisation dieser schönen Feier und ich wünsche allen noch einen schönen 1. August.

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